Selbstverständnis und Schulprofil

Die Herderschule ist die gymnasiale Oberstufenschule für Schülerinnen und Schüler der kooperativen und integrierten Gesamtschulen des Schulverbundes Kassel-Ost und für Schülerinnen und Schüler von Realschulen und Gymnasien der Stadt Kassel.
Hervorgegangen ist unsere Schule aus einem 1955 gegründeten „Gymnasium mit besonderer pädagogischer Prägung“, das damals bewusst im Kasseler Osten angesiedelt wurde, wo es bis dahin kein gymnasiales Angebot gegeben hatte. Orientiert an reformpädagogischen Vorstellungen stand für das Kollegium der Schule der „ganzheitlich auszubildende Schüler“ im Mittelpunkt der Arbeit, der Gedanke der Förderung jedes Schülers in seinen individuellen Fähigkeiten hatte zur Durchsetzung von Chancengleichheit im damaligen sozialen Umfeld besonderes Gewicht. Ausdruck dieser Bemühungen waren das Tagesheim mit Mittagstisch und Hausaufgabenbetreuung, zahlreiche „Neigungsgruppen“ und die musische Schwerpunktsetzung im schulischen Angebot. Auch ein gesprächs- und diskussionsoffenes Verhältnis zwischen Schülern und Lehrern gehörte zum Konzept und trug zu einer besonderen „Herderschulatmosphäre“ bei.

Mit der – von schulpolitischer Seite gewünschten – Umwandlung der Herderschule in eine selbstständige gymnasiale Oberstufenschule ab 1976 veränderten sich die Aufgaben der Schule, aber auch ihre Möglichkeiten:
Die Integration von zuletzt jährlich 265 „Schulanfänger/-innen“ aus zahlreichen unterschiedlichen Schulen stellt immer wieder neue und hohe fachliche wie soziale Anforderungen an das Kollegium; das komplexe und permanenten Änderungen unterworfene Kurssystem der Oberstufe verlangt erhebliche organisatorische Fähigkeiten und große Sorgfalt in der Beratung von Schülerinnen und Schülern. Die enge curriculare wie personelle Zusammenarbeit mit den Kollegien des Schulverbundes Ost erleichtert diese Aufgaben und macht es möglich, dass ein Großteil unserer Schüler/-innen den Übergang zur Herderschule nicht als Bruch in der Schullaufbahn empfindet.

Der Umbau der Herderschule vom Vollgymnasium im Kasseler Osten zur Oberstufe für Gesamtschulen des Landkreises und der Stadt hat auch dazu geführt, dass sich die Zusammensetzung der Schülerschaft veränderte, heterogener wurde. Bereits vor der Umwandlung hatte der Gedanke des Förderns von Schülerinnen und Schülern aus traditionell eher bildungsfernen Elternhäusern auch wegen der geografischen Lage der Herderschule zentrale Bedeutung; neben diese Vorstellung trat durch veränderte Anforderungen aus Hochschule und Berufswelt verstärkt die Zielsetzung, Schüler/-innen in ihren Begabungen und in ihrer Leistungsfähigkeit bewusst zu fordern.

Vor dem Hintergrund dieser Voraussetzungen formuliert die Herderschule das folgende pädagogische Leitbild.
Schwache Schüler fördern, starke Schüler fordern –
auf diese Kurzformel lässt sich der zentrale Leitgedanke der Herderschule zusammenfassen.

Seine Umsetzung erfordert die Individualisierung des Lernprozesses, erfordert ein Lernen zugeschnitten auf das Persönlichkeits- und Leistungsprofil der einzelnen Schülerin, des einzelnen Schülers. Eine gute Voraussetzung dafür bietet die relativ große Jahrgangsbreite unserer Schule, die ein breit gefächertes Fach- und Kursangebot und damit eine individuelle fachliche Schwerpunktsetzung vor allem in der Leistungskurskombination ermöglicht. Die Individualisierung des Lernprozesses benötigt von den Schülerinnen und Schülern ein zunehmendes Maß an Selbstständigkeit, ein Lernziel, dem sich die Herderschule in besonderer Weise verpflichtet fühlt: Sowohl durch die institutionalisierte Durchführung in zeitlich festgelegten Phasen des „Selbstständigen Lernens“ in allen Leistungskursen als auch in unserem Bestreben, Formen selbstständigen Arbeitens als selbstverständliches Unterrichtsprinzip zu verankern, das auch Gegenstand des Schulversuchs „Heterogenität in der gymnasialen Oberstufe“ im Auftrag des hessischen Kultusministeriums von 2007 bis 2013 war, wird dieser Zielsetzung Rechnung getragen.

Eng verbunden mit der Erziehung zu Selbstständigkeit ist die systematische Vermittlung methodischer Kompetenzen: „Lernen lernen“, um den lebenslangen Lernprozess – der sich als neue gesellschaftliche Anforderung für unsere Schüler/-innen stellt – eigenständig und eigenverantwortlich organisieren zu können. Die Kompensations- und Kompetenzstunden, die in zentralen Fächern aller drei Aufgabenfelder in der Jahrgangsstufe 11 unserer Schule angeboten werden, sowie die neu geschaffenen Angebote im Rahmen der „Basisstunde“, sollen dafür solide Grundlagen schaffen.
Neben der Kompensation werden in engem Zusammenhang mit der Individualisierung von Lernprozessen zunehmend Konzepte einer Förderung von begabten Schülern bedeutsam.

Die Kooperations- und Teamfähigkeit gehören für die Herderschule nicht erst seit der Diskussion um sog. Schlüsselqualifikationen für Studium und Beruf zu den erklärten Zielsetzungen. Als Elemente sozialen Lernens sind sie Bestandteil einer Erziehung zu gesellschaftlich verantwortungsbereiten Persönlichkeiten, wie sie eine gymnasiale Oberstufe anstrebt

Gerade in diesem Zusammenhang soll auf einen letzten Aspekt hingewiesen werden: Auch in einer selbstständigen Oberstufenschule ist das Kollegium der Herderschule um ein gutes Lern- und Arbeitsklima bemüht, das geprägt ist durch einen demokratischen Unterrichtsstil. Junge Erwachsene erfordern eher partnerschaftliche Formen des Lehrens und Lernens, die auf Selbstbestimmung hin ausgerichtet sind und den Einzelnen in seiner Persönlichkeit respektieren.
Aufbauend auf der Reformtradition der alten durchgängigen Herderschule ist unser Kollegium bestrebt, auf veränderte gesellschaftliche Anforderungen zu reagieren und im Interesse der Schüler/-innen tragfähige Konzepte in Unterricht und Schulalltag weiter zu entwickeln. Vor diesem Hintergrund sind die im Weiteren beschriebenen pädagogischen Schwerpunkte und Arbeitsvorhaben für die nächsten Jahre zu sehen.