Lehrplan

11.1 Wirtschaft und Wirtschaftspolitik

Std.: GK 36, LK: 63

Begründung

Schülerinnen und Schüler der gymnasialen Oberstufe betrachten das wirtschaftliche Geschehen vor allem aus der Perspektive von Konsumenten, als interessierte Beobachter auffälliger bzw. spekulativer Transaktionen in Bereichen der Waren- und Geldzirkulation oder unter dem Blickwinkel ihrer Berufswahlentscheidung.

Sie haben aus der Sekundarstufe I und aus dem Unterricht der Jahrgangsstufe 11 bereits grundsätzliche Informationen zum Marktmechanismus und zu gesamtwirtschaftlichen Zusammenhängen. Daran anknüpfend geht es in diesem Halbjahrsthema um eine vertiefte Beschäftigung mit der Wirtschaftsordnung der Bundesrepublik sowie den Grundlagen, Chancen und Schwierigkeiten der Steuerung des Wirtschaftsprozesses.

Damit sind die Fragen der Selbstregulierung des Marktes, der Sicherung des Wettbewerbs und des sozialen Ausgleichs sowie der Ziele und der Instrumente der Wirtschaftspolitik angesprochen. Die Kontroversen zwischen einer Stärkung der Eigenverantwortung einerseits und staatlicher Lenkung und sozialer Absicherung andererseits können durch die Beobachtung der aktuellen wirtschaftlichen Situation nachvollzogen und beurteilt werden, makroökonomische Zusammenhänge durch ein Planspiel erfahrbar werden.

Die unten genannten Stichpunkte geben dabei den Rahmen der Erarbeitung und der systematischen Einordnung an. Alternative wirtschaftspolitische Optionen zur wirtschaftlichen Entwicklung und Gestaltung sollen im Leistungskurs und können im Grundkurs theoretisch fundiert werden. Den Schülerinnen und Schülern wird die Komplexität des Ordnungsmodells der sozialen Marktwirtschaft deutlich und die Notwendigkeit, diese zu überprüfen, zu gestalten und weiterzuentwickeln.

Die Volkswirtschaften und ihre Außenbeziehungen werden zunehmend durch wirtschaftliche Zusammenschlüsse und die Entwicklung integrierter Wirtschaftsräume bestimmt. Entsprechend hat die wirtschaftliche Integration Europas auf der Grundlage des Vertrages von Maastricht für die Wirtschaft der Bundesrepublik Deutschland einen hohen Stellenwert.

In die Diskussion über Chancen und Gefahren dieses Prozesses im Zusammenhang mit der nationalstaatlichen Wirtschafts- und Sozialpolitik gehen die wirtschaftlichen und politischen Interessen unterschiedlicher Gruppen und Staaten ein. Dies gilt insbesondere auch für Fragen der Weiterentwicklung des Integrationsprozesses.

Der Unterricht muss die vorgenannten Aspekte berücksichtigen, d.h. die unterschiedlichen Perspektiven aufnehmen, deren Folgen antizipieren und den Schülerinnen und Schülern so eine eigene Urteilsbildung ermöglichen.

Verbindliche Unterrichtsinhalte/Aufgaben

  • Konzentration und Wettbewerb Funktionen des Wettbewerbs
  • Ursachen und Wirkungen von Konzentration, Kartellen und marktbeherrschende Unternehmen

Leistungskurs

  • Marktformen, Kapitalbildung, Kapitalkonzentration und Investitionen, Transnationale Konzerne, Bedeutung der mittelständischen und kleinen Unternehmen
  • Konjunktur und Konjunkturpolitik Wirtschaftsbewegungen und konjunkturelle Zyklen Investitionstätigkeit und Konjunktur, Krisenursachen und Krisenfolgen, angebots- und nachfrageorientierte Wirtschaftspolitik, Geld- und Fiskalpolitik
  • keynesianische und monetaristische Konjunkturtheorie (von Keynes bis Friedman), Mischformen
  • Wohlfahrtsökonomie und Verteilungsgerechtigkeit
  • Ziele und Zielkonkurrenz wirtschaftlichen und wirtschaftspolitischen Handelns (Magisches Vier- / Sechseck) zwischen Stabilität und Inflation, Beschäftigung und Arbeitslosigkeit, Einkommensverteilung, Tarifautonomie und Lohnpolitik
  • Wirtschaftswachstum und Arbeitsplatzentwicklung, Verteilung des Volkseinkommens und Verteilungspolitik
    Wirtschaftliche Integration Europas Der Vertrag von Maastricht und die Konvergenzkriterien, wirtschaftliche Integration und nationalstaatliche Interessen (exemplarisch anhand der Struktur-, Wettbewerbs-, Geld- oder Sozialpolitik, Agrarpolitik, Finanzierung der EU)
  • europäischer Binnenmarkt (Arbeits-, Waren-, Dienstleistungs- und Kapitalmarkt), Bedingungen, Möglichkeiten und Folgen regionalen Wachstums
  • Internationale Wirtschaftsbeziehungen

Leistungskurs verbindlich, für Grundkurs fakultativ

  • Außenwirtschaftspolitik, Außenhandel, Wechselkurse und Währungspolitik, Zahlungsbilanz
  • Verteilung des Volkseinkommens und Verteilungspolitik
  • Einkommens- und Vermögensverteilung
  • Problematik der Armutsdefinition
  • Lohnquote, Gewinnquote
  • Verteilungspolitik: Soziale Gerechtigkeit zwischen Leistungs- und Bedarfsprinzip

Fakultative Unterrichtsinhalte/Aufgaben

  • Wirtschaftsethik (LK) – Soziale Gerechtigkeit zwischen Leistungs- und Bedarfsprinzip
    Finanzkapital und soziale Verantwortung
  • Kapitalismus, Gewinnorientierung und Moral

Arbeitsmethoden der Schülerinnen und Schüler

  • Analyse, Auswertung und Interpretation ökonomischer Daten, Positionen und theoretischer Modelle
  • Simulation und Planspiel

Querverweise

  • Individuum und Gesellschaft: D, E, F, Ita, Rus, L, GrA (Thema 1), Ku, G, Phil, Rev Strukturwandel: E, Phil, F (GK/Profil E), Spa, GrA (Thema 1)
  • Wirtschaftsprozesse: G, Ek, E, F (GK/Profil E), M
  • Modellierung: Inf, Ch

Berücksichtigung von Aufgabengebieten (§6 Abs. 4 HSchG):

  • Informations- und kommunikationstechnische Grundbildung und Medienerziehung
  • Friedenserziehung

[Quelle: Hessisches Kultusministerium: Lehrplan Politik & Wirtschaft. Gymnasialer Bildungsgang. Jahrgangsstufen 7 bis 13. S. 31 f.] 

11.2 Politische Strukturen und Prozesse

Std.: GK 36, LK: 63

Begründung

Politische Willensbildungs- und Entscheidungsprozesse müssen sich in einem demokratischen Staat bewähren in dem Spannungsverhältnis von Legalität und Legitimität, Wertorientierung und Funktionalität, Partizipation und Effektivität.

Der Aspekt von Partizipation ist den Jugendlichen unmittelbar evident und wird auch von ihnen eingefordert. Ebenso ist die Bindung politischer Entscheidungen an die Werte setzenden Grundrechte, soweit sie Bürgerrechte gegen Staatseingriffe schützen, unstrittig und den Jugendlichen präsent.

Für die politische Bildung bedeutsam ist in diesem Zusammenhang die Einsicht, dass den Grund- und Menschenrechten des Einzelnen die Grundrechte anderer oder auch die Überlebensfähigkeit und Sicherheit des Ganzen („wehrhafte Demokratie“) entgegenstehen können, also eine Abwägung von Grundrechten stattfinden muss.

Die so verstandenen Grund- und Menschenrechte beziehen die Verantwortung des Einzelnen für das Ganze und die Toleranz gegenüber den Rechten anderer mit ein.

Der Verfassung selbst innewohnende Spannungsverhältnisse werden oft als Widerspruch zwischen Verfassungsanspruch und -wirklichkeit empfunden, z.B. zwischen Art. 21 (Rolle der Parteien, Fraktionszwang) und Art. 38 (Unabhängigkeit der Abgeordneten), zwischen Gewaltenteilung und Mehrheitsbildung durch Koalitionen, zwischen Initiativrecht des Bundestages und tatsächlich dominierenden Gesetzesinitiativen der Regierung.

Diese Widersprüche brechen bei kontroversen politischen Entscheidungen auf und sind unverzichtbarer Teil einer lebendigen Demokratie, die den Schülerinnen und Schülern im Unterricht nahegebracht wird.

Den Schülerinnen und Schülern vermitteln sich die Fragen der Grundrechte und der Regeln und Institutionen des politischen Systems in erster Linie an konkreten politisch-gesellschaftlichen Auseinandersetzungen in der Darstellung der Medien. Politik wird als etwas Aufbereitetes, Punktuelles, austauschbar Aktuelles erfahren; sie steht in Konkurrenz zu sonstigen Themen in den Medien mit höherem Unterhaltungswert.

Der in der Werbung um Wählerstimmen kritische gegenseitige Umgang von Politikern unterschiedlicher Parteien rückt zudem für die Jugendlichen die tatsächlichen Leistungen der Politik in den Hintergrund. Die Wertschätzung demokratischer Entscheidungsstrukturen ist aber für ein demokratisches System unabdingbar. Für den Unterricht ergibt sich daraus die Aufgabe, die kritische Betrachtung politischer Entscheidungsprozesse um das Verständnis für funktionale Willensbildungsprozesse zu ergänzen.

Die Erarbeitung von Themenstichworten durch die exemplarische Untersuchung eines konkreten Gesetzgebungsvorhabens fördert die selbständige Informationsbeschaffung und -aufbereitung und die Urteilsfähigkeit der Schülerinnen und Schüler und vermittelt gleichzeitig Orientierungswissen über die Regeln und Institutionen des politischen Entscheidungsprozesses.

Auf Grund der gesellschaftlichen Veränderungen verlieren langfristige soziale und institutionelle Bindungen, stabile Wertorientierungen und Weltbilder zunehmend an Einfluss zu Gunsten einer individualisierenden und flexibleren Betrachtungsweise. Entsprechend ist die Bereitschaft des Einzelnen rückläufig, sich langfristig in gesellschaftlichen und politischen Organisationen (Parteien, Verbänden) zu binden.

Soziales Engagement findet verstärkt in punktuellen Initiativen und in neuen sozialen Bewegungen statt, motiviert durch konkrete, individuelle Betroffenheit. Da gleichzeitig politische Willensbildungs- und Entscheidungsprozesse langwieriger und undurchschaubarer werden, ist es Aufgabe des Unterrichts, den Bezug zum Leben der Schülerinnen und Schüler herzustellen, latente Problemstellungen aufzuzeigen sowie die institutionellen Rahmenbedingungen und Möglichkeiten politischen Handelns zu klären.

Verbindliche Unterrichtsinhalte/Aufgaben

  • Verfassungsnorm und Verfassungsrealität
  • Grundrechte und Grundrechtsabwägung (GG, BVG) Gewaltenteilung und Gewaltenverschränkung
  • Parlament und Regierung im konkreten politischen Gesetzgebungsprozess
  • Partizipation und Repräsentation an ausgewählten Beispielen Parteien (z.B. innerparteiliche Demokratie, Fraktionszwang und freies Mandat, Parteienfinanzierung)

Leistungskurs

  • von der Volkspartei zur professionalisierten Wählerpartei
  • Wahlen (Wahlrecht, Wahlverhalten & Veränderungen, Parteien & Wählerschaft)
  • weitere Formen der Bürgerbeteiligung (Volksbegehren, Volksabstimmung, Bürgeranhörung)
  • Pluralismus und politischer Entscheidungsprozess (Verbände, zivilgesellschaftliche Gruppen)
  • Einfluss der Medien auf die politische Willensbildung und die Definition politischer Aufgaben
  • Wandel der Medien
  • Medien zwischen Markt und gesellschaftspolitischer Aufgabe
  • Bundesrepublik Deutschland und europäische Integration
  • Erweiterung der EU und die Diskussion um eine europäische Verfassung
  • Partizipation und Demokratie im Zeitalter der Informationsgesellschaft (LK) Demokratisierung, Partizipation und neue Medien
  • Politischer Dialog zwischen den Wahlterminen
  • Zeitaufwendige Beratungs- und Entscheidungsprozesse vs. Informations- und Kommunikationsbeschleunigung
  • Politische Theorien (LK verbindlich, GK fakultativ) Theoretische Grundlegung des modernen Verfassungsstaats, von der Durchsetzung hoheitlicher Staatlichkeit (staatliches Gewaltmonopol) zum demokratischen und sozialen Rechtsstaat (Gewaltenteilung, Menschenrechte, Volkssouveränität)
  • Plebiszitäre und repräsentative Demokratie, Pluralismustheorie und -kritik

Fakultative Unterrichtsinhalte/Aufgaben

  • Politische Theorien – Vertiefung (LK) Staat und Gesellschaft in unterschiedlichen Staatstheorien (z.B. liberale, sozialistische, strukturalistische Ansätze)
  • das Verhältnis von Individuum, Gesellschaft und Staat, Freiheit und Herrschaft in den Theorien ausgewählter Epochen
  • Rolle des Fernsehens, Möglichkeiten des Internets, Probleme der Print-Medien, Konzentration des Medienmarktes
  • Journalismus, Markt und Moral
  • Presse und Persönlichkeitsschutz
  • Medien, Wahrnehmung und Wirklichkeit

Arbeitsmethoden der Schülerinnen und Schüler/Hinweise und Erläuterungen

  • Analyse und Interpretation politischer Informationen
  • Kritische Reflektion und Bewertung politischer Positionen
  • Moderationsmethoden
  • Pro-Contra-Debatte
  • Selbstständige Anwendung des erlernten Instrumentariums der Analyse und Bewertung auf politische Strukturen und Prozesse
  • Theorieanalyse und systematischer Vergleich

Querverweise

  • Demokratie vs. Diktatur: G, Ek, Rka, Rev, D, F (LK), Rus, Ita, L, Ku, E, Spa, GrA (Thema 2)
  • Mensch und Gesellschaft: D, E, F (LK), Spa, Rus, L, Ku, Mu, Rka, Rev, Phil
  • Der Mensch und sein Handeln: Rev, Rka, Ek, D, L, Eth, G, Phil, F, Ita, GrA (Thema 2)
  • Disparitäten: Ek, Rka, Phil, E, F (GK/Profil E), Spa, Ita
  • Internationale Politik: G, Ek, Rka, L, Spa, D, Mu
  • Sprache der Medien: Ku, L, G, Ek
  • Utopien: F, Rus, L, Phil GrA, (Thema 3)
  • Datenbanken: Inf, G, Ek, Ch, M

Berücksichtigung von Aufgabengebieten (§6 Abs. 4 HSchG):

  • Informations- und kommunikationstechnische Grundbildung und Medienerziehung
  • Friedenserziehung
  • Erziehung zur Gleichberechtigung

[Quelle: Hessisches Kultusministerium: Lehrplan Politik & Wirtschaft. Gymnasialer Bildungsgang. Jahrgangsstufen 7 bis 13. S. 33 ff. ]