Sehen und gesehen werden, auch das ist ein wichtiger Bestandteil eines Theaterbesuches. Einige der Schülerinnen und Schüler der Herderschule haben sich schick gemacht für den Abend im Staatstheater. Andere waren schon so oft in verschiedenen Aufführungen, dass sie das nicht mehr so wichtig finden. Aber nachdenklich hat es die Lernenden aus dem DS- Kurs der Q2 schon gemacht, dass die Schauspielerin Emma Bahlmann sie bei einem Besuch in ihrem Unterricht in der Herderschule mit den Worten begrüßt hat: „Ich habe euch gesehen, ihr saßt ziemlich weit hinten im Theater“. Dass eine Schauspielerin, die so viel Text auswendig lernen und sich auf ihre Rolle konzentrieren muss, auch noch mitbekommt, wer wo im Publikum sitzt, ist erstaunlich, aber auch etwas unheimlich.
Freundlich und offen berichtet Emma, wir sind schnell beim Theater- „Du“, über ihre Rolle als Lena im Stück von Georg Büchner „Leonce und Lena“: über den erschreckenden Moment, wenn ihr einmal der Text entfallen ist, und was ihr hilft, diesen geschickt zu überspielen; über die Entwicklung des Stückes und den Einfluss, den die Schauspieler und Spielerinnen auf die Inszenierung haben; darüber, dass sie nach einer Aufführung so wach ist, dass sie oft erst in den Morgenstunden schlafen kann.
Für die Schüler und Schülerinnen des DS-Kurs ist das spannend, da sie selbst gerade an einer Stückentwicklung arbeiten. Als Emma sie fragt, was sie noch so an Stücken gesehen haben, können sie nicht ganz ohne Stolz sieben Stücke aufzählen, die sie seit Beginn der E-Phase gesehen haben. Das erstaunt selbst die Theaterpädagogin Elisabeth Müller, die ebenfalls mit dabei ist, und freut sie natürlich. Wir sprechen hier mit Menschen, die Theater kennen.
Die Herderschule Kassel ist seit 2022 Kooperationsschule des Staatstheaters Kassel. Das heißt, dass es einen Vertrag zwischen Schule und Theater gibt, in dem u.a. steht, dass die Schule sich verpflichtet, jeden Schüler und jede Schülerin einmal im Jahr ins Theater zu bringen. Im Gegenzug dazu ermöglicht das Theater der Schule einige Vorzüge, zum Beispiel, dass sie regelmäßig auf Wunsch auch mit den Darstellenden zur Nach- oder Vorbereitung in die Schule kommen. Außerdem bekommt die Schule vergünstigte Besuche für die Stücke und Führungen im Theater.
Das Theater hat sich insgesamt stark verändert, es ist publikumsnäher geworden. Da kann es auch schon mal passieren, wie bei dem Besuch der Inszenierung „Grimm. Ein deutsches Märchen“ im letzten Sommer, dass ein Lehrer zum Dornröschen ernannt und auf die Bühne geholt wird, wo er von seinem Kollegen wachgeküsst werden muss.

Text und Bild: Annke Siewierski